Hervorgehoben

„Konservieren, was es sowieso schon gibt“

Vorlesungsaufzeichnungen ergänzen an der FAU die Präsenzlehre. Nicht alle Lehrenden nutzen diese Möglichkeit gleich stark. Wir haben mit einem Fan der Aufzeichnungen über Pro und Contra des Angebots gesprochen. 

Wie genau hat Professor Hans Kudlich in der letzten Vorlesung den Tatbestand Totschlag nochmal erklärt? Diese Frage stellen sich Jurastudierende der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) allenfalls kurz. Denn die meisten Vorlesungen des Leiters des Lehrstuhls für Strafrecht, Strafprozessrecht und Rechtsphilosophie werden aufgezeichnet. So können Studierende die betreffenden Stellen oder auch die gesamte Vorlesung zuhause nochmal anschauen. Warum er das seinen Studierenden ermöglicht? Für Kudlich bringen Vorlesungsaufzeichnungen überwiegend Vorteile mit sich.

Vorteil 1: Verhinderte Studierende oder Studierende anderer Universitäten profitieren

Mancher Student oder manche Studentin muss ihr Studierendenleben selbst finanzieren und manchmal auch zu Zeiten arbeiten, in denen Vorlesungen stattfinden. Auch (chronisch) Kranke oder Studierende mit Kindern können so die Inhalte lernen und sich zuhause dennoch erholen oder ihre Kinder betreuen. „Gerade Jura hat ein großes lokales Einzugsgebiet. Manchmal haben die Studierenden nur eine Vorlesung am Tag und müssten dafür 90 Minuten Fahrt hinnehmen. Ich kann verstehen, wenn da jemand lieber auf die Aufzeichnung zurückgreift“, erklärt der Professor. „Es macht keinen Unterschied, ob ich Jura hier oder woanders studiere. Jura ist überall der gleiche Stoff“, sagt Kudlich. Deshalb könnten die Vorlesungen auch Studierende anderer deutscher Universitäten anschauen und dadurch ein besseres Verständnis für den Stoff erlangen.

Nachteil 1: Weniger Studierende im Hörsaal durch Streaming

Kudlich stellte fest, wenn die Vorlesungen früh am Morgen live gestreamt wurden, besuchten die Vorlesung im Hörsaal weniger Studierende. „Das finde ich immer etwas deprimierend“, erklärt er. „Man macht die Vorlesung ja in erster Linie für die Anwesenden im Hörsaal und nur in zweiter Linie für die Aufzeichnung. Eine Vorlesung lebt davon, dass Leute da sind. Ich versuche meine Vorlesungen interaktiv zu gestalten und die Leute einzubeziehen. Das braucht dann aber auch eine Reaktion.“ Die Lösung: Seine Vorlesungen werden nicht live gestreamt, sondern nachträglich online gestellt. So können Studierende dies nutzen, um Wissen zu vertiefen oder Wissen nachzuholen, aber sie haben dennoch einen Anreiz, an der Vorlesung teilzunehmen. Und letztlich seien Studierende volljährig und deshalb selbst verantwortlich, zu lernen.

Vorteil 2: Niedrigschwelliges Angebot für Lehrende

Kudlich ist auch gerade deshalb ein großer Fan von dem Angebot der Vorlesungsaufzeichnungen, weil für ihn nicht großartig mehr Arbeit anfällt. „Ich muss am Ende nur ein Formular an die MMZ-Mitarbeiterin Barbara Kloiber schicken, und dann ist das für mich erledigt.“ Es braucht keinen extra Kameramann und in vielen Fällen ist sogar eine Kamerasteuerung aus der Ferne möglich.

Nachteil 2: Sorge, dass Lehrende eingeschränkt sind

Kudlich habe innerhalb kürzester Zeit die laufende Kamera vergessen. Für ihn sei es dadurch eine normale Vorlesung. „Klar, manchmal steht man auf dem Schlauch und versteht eine Frage nicht sofort. Aber das ist ja nur menschlich.“ Geschmacklose oder illegale Äußerungen sollte man auch in einer Vorlesung ohne Aufzeichnung nicht tätigen. Auch die Gefahr des Festnagelns hält er für unbegründet: „Wenn ich sage, dieses Kapitel können Sie ausschließen und dann bringe ich das in der Prüfung, dann wäre es richtig, wenn mich die Studierenden darauf festnageln. Wir haben ja auch eine Verantwortung.“

Vorteil 3: Breitenwirkung für die Person

Kudlich wurde schon mehrfach von Kollegen – nicht nur von der FAU – auf die Aufzeichnungen angesprochen. „Ich denke, dass es wahrgenommen wird, zum einen vom Service her und zum anderen wird die eigene Sichtbarkeit dadurch natürlich auch gesteigert.“ Aber er zeigt auch Verständnis für Kollegen, in deren Fachgebieten es Unterschiede zwischen den Studienorten gibt. Denn nicht jeder Studiengang sei fast überall so identisch wie Jura.

Nachteil 3: Sorge vor dem Abschreiben

Wenn die Videos online frei verfügbar sind, könnten externe, wie interne Nutzende diese Quelle nutzen und von ihr „abschreiben“. Kudlich hält diese Sorge für unbegründet: „Wir machen Bildung und sollten ein Interesse daran haben, diese voranzubringen. Ich wäre stolz darauf, wenn sich jemand bei mir Anregung holen würde.“

Vorteil 4: Untertitel verbessern Hörverstehen

Seit 1,5 Jahren gibt es KI-gestützte automatisch erstellte Untertitel zu den Vorlesungsaufzeichnungen (Link zum Beitrag setzen: https://www.rrze.fau.de/2023/03/bessere-untertitel-durch-ki/). „Das ist eine Sache, die ich toll finde und ich bin echt geplättet, wie gut das funktioniert“, sagt Kudlich. „Wie präzise meine Sprache erfasst wird, das ist der Wahnsinn!“ Das führt zu einer barrierefreien Vorlesung, denn dadurch können auch Menschen, die sich mit dem Hörverstehen schwertun oder Gehörlose, gut an den Vorlesungen teilnehmen.

Vorteil 5: Außenwirkung für die FAU

Seit 25 Jahren bietet die FAU ihren Lehrenden Vorlesungsaufzeichnungen an. Mittlerweile sind 36 Hörsäle mit Kameras ausgestattet. Die Lehrenden können dabei entscheiden, ob die Aufzeichnung im Internet frei oder mit Zugriffsbeschränkung verfügbar sein soll. „Ich wähle immer die Option frei zugänglich, ohne Zugangsbeschränkung. Ich finde, davon soll auch die FAU eine Außenwirkung haben.

Fazit

Hans Kudlich ist ein großer Fan der Vorlesungsaufzeichnungen, weil sie ein zusätzliches Lernangebot für die Studierenden sind. Für ihn als Lehrenden ist das Angebot niedrigschwellig, weil er nur ein Formular an das Multimediazentrum schicken muss und sich ansonsten auf seine Vorlesung konzentrieren kann. Sie sollten allerdings nicht die Vorlesung vor Ort im Hörsaal ganz ersetzen und damit nur etwas „konservieren, was es sowieso schon gibt“, wie er sagt. Die Interaktivität ist ihm wichtig, denn davon leben Vorlesungen. Zudem können FAU, Lehrende und Studierende von diesem zusätzlichen Angebot profitieren.

 

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Kontaktieren Sie das Multimediazentrum für Beratung und Unterstützung: rrze-mmz@fau.de

 


Text: Corinna Russow