Von einer Datencloud haben schon viele Menschen gehört und diese selbst genutzt. Eine Private Compute Cloud ist dagegen weniger bekannt. Was sind Gemeinsamkeiten? Und was hat Compute Cloud (CC) mit dem Autobau zu tun? Das erklärt Lukas Kraus, Systemarchitekt der Abteilung Zentrale Systeme am Regionalen Rechenzentrum Erlangen im Interview.
Du hast am Regionalen Rechenzentrum Erlangen (RRZE) einen Private-Compute-Cloud-Dienst aufgesetzt. Wie würdest du das jemandem erklären, der das heute zum ersten Mal hört?
Lukas Kraus: Im Vorfeld unseres Interviews hat das Thüringer Landesrechenzentrum zusammen mit dem YouTube Kanal „Hochleistungsnerd“, eine Videoreihe veröffentlicht, die sehr gut erklärt und darstellt, welche Vorteile ein solches System hat und welche neuen Arbeitsweisen damit möglich werden.
Eine Private Compute Cloud ist mehr oder weniger klassische Virtualisierung – aber als Infrastructure as a service. OpenStack stellt als Open Source-Projekt die Architektur für ein solches Projekt und bietet eine Abstraktionsebene nicht nur zwischen Compute, sondern auch Netzwerk, Router und Firewall. Ähnlich wie beim Auto braucht man nicht erst Experten, die die Grundlagen schaffen – einer baut den Motor, der andere die Reifen – und erst dann kann man mit dem Auto losfahren. Da das alles „as a Service“ bereitgestellt wird, kann man direkt loslegen. Du kannst eine Virtuelle Maschine aufsetzen oder Container, Blockspeicher oder S3 Storage nutzen und das alles als Self-Service-Modell. Das heißt, du legst alles selbst an und wir geben nur die Menge vor, die du nutzen darfst.
Da das System am und im RRZE läuft, nennt man das Ganze auch Private Cloud – im Gegensatz zu AWS (Amazon Web Services), Google oder Microsoft. Die Technologie ist ähnlich und an manchen Stellen auch kompatibel, aber eben nur bei und für uns – die FAU. Wir haben dem Projekt den übergreifenden Namen Compute Cloud oder kurz CC gegeben.
Clouds als Speicherdienst sind in aller Munde. Aber du hast gerade eben schon Begriffe genutzt, die nicht jedem geläufig sein werden. Was unterscheidet CC von Clouddiensten, die jeder privat nutzen kann?
Man muss hier klar unterscheiden: Für viele ist die Cloud grundsätzlich schon ein magischer Ort, an dem viele Sachen gelagert sind. Typischerweise bezeichnet man Dienste wie Dropbox oder iCloud als „Cloud“, was sie ja auch sind aber eben hauptsächlich zur Datenablage oder zum Backup – so wie unsere FAUbox. Die CC hingegen bietet dieses Konzept für Computing Ressourcen an. Das bedeutet, zum Beispiel die FAUbox könnte die Ressourcen der CC nutzen, um den Dienst selbst zur Verfügung zu stellen.
Wer FAU-Mitglied ist, kann den Dienst nutzen?
Ja, jeder, der als Studierender, Mitarbeitender, Wissenschaftlerin oder Wissenschaftler etwas mit der FAU zu tun hat. Das war mir ein wichtiges Anliegen, den Dienst campusweit anzubieten. Somit können vor allem in der Forschung und Lehre schon früh Erfahrungen mit „der Cloud“ gemacht werden. Wenn man dann von der Uni in die große weite Welt zieht, kennt man schon mindestens die Grundlagen und fällt dann nicht direkt vom Glauben ab.
Braucht man bestimmte Voraussetzungen?
Wahrscheinlich ja. Ich sag mal so: Wer zum Beispiel Kunstgeschichte studiert, wird das kaum brauchen. Grundsätzlich sollte man wissen, wie ein Computer funktioniert, wie Netze funktionieren oder Interesse haben es herauszufinden. Die technischen, mathematischen, biologischen und chemischen Fachbereiche könnten daran verstärkt Interesse haben.
„Es ist quasi ein Leasing Angebot für Rechenleistung.“
Wie funktioniert das dann?
Alle arbeiten auf den gleichen Ressourcen und wenn man fertig ist, dann nimmt den Platz jemand anders ein. Wenn man Rechenleistung braucht, ist das günstiger, als selbst Hardware dafür zu kaufen, denn man braucht ja nicht den ganzen Tag durchgehend diese Rechenleistung. Es ist quasi ein Leasing Angebot für Rechenleistung.
Und wo liegen dann die Daten?
Alles immer bei uns. Das ist wie AWS – Amazons eigener Cloud-Dienst –, nur bei uns. Viele denken immer, dass Amazon Geld verdient, indem sie nur Waren verkaufen, aber die AWS macht seit längerem einen beträchtlichen Teil des Umsatzes aus. Bei unserem CC-Dienst gibt es auch de facto keine Anbindung ans Internet. Die CC ist aktuell nur aus dem Uni-Netz oder per VPN erreichbar.
Was heißt das dann für den Betrieb?
Alles, worauf sich Leute verlassen, dass es täglich erreichbar ist, ist aktuell nicht dafür gedacht, Ressourcen der CC zu nutzen. Zum einen ist der OpenStack für sich ein großes und an vielen Stellen kompliziertes Konstrukt aus verschiedenen einzelnen Diensten und nicht gerade für seine Administrationsfreundlichkeit bekannt. Außerdem sammeln wir gerade Erfahrungen mit dem System, die wir bei der aktuellen Lösung mit VMware, die auch Virtualisierungslösungen anbieten, zum Beispiel schon haben. In nicht allzu ferner Zukunft wird auch der sichere und dauerhafte Betrieb von Diensten möglich sein.
Gut geeignet ist es aktuell beispielsweise für die Lehre. Informatikstudierende können dort einfach lernen, wie sie Dienste konfigurieren können, wie Netze funktionieren oder was Firewalls machen. Oder ganz banal: das Nutzen der vom Dozenten bereitgestellten Images, die eine gewisse Umgebung beinhalten. Aber auch die Forschung wird von den Ressourcen profitieren, da sie leicht und selbstständig genutzt werden können.
Kostet die Nutzung etwas?
Das Grundkontingent wird kostenlos angeboten, das umfasst vorrausichtlich so etwa drei bis vier Virtuelle Maschinen (VM). Für größere Projekte gibt es dann die Möglichkeit, gemeinsame Projekte mit mehreren Nutzern anzulegen und dort zusammen die Ressourcen zu nutzen.
Für die Private Compute Cloud wurden extra Server angeschafft, wie viele genau – und kannst du uns verraten, was so etwas kostet?
Ja, die haben wir neu gekauft. Insgesamt hat das für 18 Server rund 400.000 Euro gekostet. Das Competence Center for Research Data and Information (CDI) hat durch den Hochschulvertrag Mittel für die Schaffung einer Cloud-Infrastruktur für Forschung und Lehre zur Verfügung gestellt bekommen.
Was soll der Dienst in ein paar Jahren leisten?
Auch hier der Verweis auf die Kollegen in Thüringen, die diesen Dienst schon als „virtuelles Datacenter“ bereitstellen. Ich glaube schon, dass das ein gutes Angebot für viele Lehrstühle ist, um ihre Systeme zu zentralisieren. Klar, gibt es die Administratoren am Lehrstuhl, die das selbst betreiben, und die braucht es nach wie vor, aber sie brauchen sich nicht mehr um Probleme kümmern wie: Was kaufe ich? Wo stelle ich es hin? Habe ich einen Serverraum, der abgesichert und gekühlt werden kann? Ich glaube, dass es dann ein schöner Weg ist, zentrale Ressourcen für Lehrstühle zur Verfügung zu stellen. Die CC könnte auch etwas werden, was uns allen die Arbeit – vor allem im Bereich der Zentralisierung – erleichtert.
Vielen Dank für das Gespräch!
Mehr Informationen zur Compute Cloud:
Videoreihe des IT-Zentrum Thüringen:
Das Gespräch führte Corinna Russow