Die Auftragsvergabe zur Entwicklung eines Plugins sollte wohlüberlegt sein, damit nicht das böse Erwachen kommt. Wolfgang Wiese ist in seiner Funktion als Leiter der Abteilung Ausbildung & Information am RRZE verantwortlich für die Suche und die Auftragsvergabe von WordPress-Plugins. Dabei folgt er den immer gleichen Regeln.
Einführung und Hintergrund
In den vergangenen Jahren hab ich im Zuge meiner Arbeit als Leiter der Abteilung Ausbildung & Information am Regionalen Rechenzentrum Erlangen (RRZE) bereits mehrere Programmieraufträge vergeben. Das deckte bei den Auftagnehmern die Spanne von einzelnen Freiberuflern, über genossenschaftlich organisierte Gruppen und Kollektive bis hin zu professionellen Agenturen ab. Aktuell betreue und kontrolliere ich als Projektleiter und als technischer Stakeholder die Auftragsleistungen von drei Agenturen gleichzeitig. Dementsprechend kann ich nicht meine gesamte Aufmerksamkeit einer Agentur opfern (zusätzlich zu meinen eigenen Kollegen und Kolleginnen, die „inhouse“ entwickeln), sondern muss diesen viel eigenen Gestaltungsspielraum lassen und ihnen auch vertrauen können.
Die Aufträge, die wir an Agenturen vergeben, sind sehr vielfältig. Einige Projekte sind eher klein und überschaubar, wie beispielsweise die Erstellung und Einbindung einer interaktiven Visualisierung zu einer Klimaberechnung mit Hilfe von JavaScript. Es gibt jedoch auch komplexe WordPress-Plugins. Bei denen geht es um den performanten Abruf von Daten über eine API (Application Programming Interface), also eine Schnittstelle, eines Drittanbieters, dessen Einbindbarkeit als hybrides Plugin (das heißt sowohl mithilfe klassischer Shortcodes als auch als Block für den Gutenberg-Editor) und dessen leichte Konfigurierbarkeit für technisch unerfahrene Autoren.
Zudem verlangen wir bei den Plugins und Themes, die bei uns zum Einsatz kommen, gewisse Qualitätsanforderungen (beispielsweise die Einhaltung der WCAG 2.2 bei Frontend- und Backendausgaben) und auch die öffentliche Entwicklung, Pflege und Bereitstellung des Codes über GitHub. (Anmerkung: Die offizielle WordPress-Directory ist für uns nicht relevant. Einzig die Testmethoden für neue Themes oder Plugins, wie beispielsweise mit dem PCP (Plugin Check Plugin von WordPress), sind für uns von Bedeutung). Dementsprechend muss auch eine Agentur oder ein Freiberufler ausgewählt werden, der oder die Ahnung von der Sache hat. Zudem hat auch nicht jede Agentur und auch nicht jeder Freiberufler genau dann freie Zeitslots, wenn wir einen Auftrag vergeben können.
Wie suche und finde ich neue Agenturen?
Für die reine Suche nutze ich in der Regel Suchmaschinen und/oder frage mir bekannte WordPress-Entwickler nach ihren Empfehlungen. Dies ist also keine Magie und unterscheidet sich nicht von dem Vorgehen, den jede und jeder andere auch so machen würde.
Das Problem: Bei einer Suche nach beispielsweise „WordPress Entwickler Stadtname“ wird man etliche Treffer erhalten. Gemischt mit Stellenanzeigen und Marktplätzen. Und wenn man sich einige der Treffer anschaut, die man dank guter Suchmaschinenoptimierung (SEO) an den ersten Stellen der Suchmaschinen-Ergebnisse findet, kann man zwar erkennen, dass diese in Sachen Suchmaschinenoptimierung gut sind; Aber die Frage, ob die Agenturen auch tatsächlich Ahnung von WordPress haben, wird so nicht beantwortet.
Die Checkliste
Um nun die Spreu vom Weizen zu trennen, hab ich mir über die letzten Jahre eine Checkliste erarbeitet. Die Liste wird von oben nach unten abgearbeitet. Sobald ein Kriterium nicht bestanden wird, wird die Agentur aussortiert! Man kann vorher noch so gut sein und eine noch so schöne herzallerliebste Website haben mit tollen Worten und lächelnden Menschen, es nützt nichts: Alle Kriterien, die zu einer Ablehnung führen, sind „k. o.“-Kriterien. Wird auch nur ein einziges k.o-Kriterium nicht erfüllt, braucht nicht weiter geprüft werden. Lediglich am Ende der Checkliste fnden sich ein paar „Pluspunkt“-Kriterien. Wenn am Ende noch Kandidaten übrig bleiben, hat man gute Chancen, Profis gefunden zu haben. Bleiben mehrere übrig, wird anhand der Pluspunkte entschieden.
- Nutzt die Website der Agentur WordPress? Wenn nein, dann k. o.
- Ist die Website der Agentur barrierefrei gestaltet und beachtet die Anforderungen der DSGVO? Wenn die Seite die WCAG (Web Content Accessibility Guidelines) nicht erfüllt oder die Benutzer ohne Zustimmung trackt, dann „k.o.“ (bedeutet, die Seite muss ein Consent Banner haben und nicht nur ein billiges und rechtlich untaugliches Cookies-Banner!)
- Wenn die Website unter den Referenzen weitere Content-Management-Systeme auflistet, für die die Agentur ebenfalls Support leistet, dann k. o.
- Wenn die Website ein „Managed WordPress“-Angebot eines Hosters nutzt, anstelle dass die Agentur dieses selbst auf einem Webspace oder einem virtuellen Server installierte, dann k. o.
- Beschreibt die Agentur genau welche Art von Entwicklung für WordPress geleistet wird? Also, ob nur in PHP gearbeitet wird oder nur dem Block Editor oder dem Classic Editor? Beschreibt die Agentur ihre Referenzen hinsichtlich den Techniken PHP, SASS, React oder Typoscript? Erwähnt sie die Barrierefreiheit oder die WCAG? Wenn es hier keine genaueren Informationen über die konkreten Expertisen gibt und diese wage bleiben, dann k. o.
- Hat die Agentur Themes oder Plugins in der WordPress-Directory oder auf GitHub öffentlich publiziert? Wenn es hier nichts gibt und auch kein anderer Link zu einem Plugin- oder Theme-Marketplace oder einem öffentlichen Download angeben wird, dann k. o.
- Wenn die Agentur ein Plugin veröffentlichte, dieses aber nach der Installation im WordPress Dashboard unvermittelt Werbung für ein Premium-Plugin anzeigt, dann k. o.
- Wenn die Agentur keine verlinkte Liste mit Referenzprojekten und -Kunden angibt, dann k. o.
- Wenn die Agentur die Namen der Entwickler oder Designer nicht nennt, sondern diese (und auch andere Teammitglieder) anonym hält, dann k. o.
- Wenn die Referenz- und Leistungsbeschreibung der Website aus übermässig vielen Schlagworten und Werbesprech besteht, diese gar mit schönen, aber nichtssagenden Stock-Fotos anreichert, aber konkrete Informationen verschweigt, dann k. o.
- Wenn die Agentur bei einer Rückfrage oder via Informationen auf der Website die Nutzung von GitHub nicht zu leisten vermag oder sogar ablehnt, in einem öffentlichen (!) Repo zu arbeiten, dann k. o. (und wenn die Agentur erzählt, dass sie dies aus Sicherheitsgründen gegen etwaige Hacks nicht tut, dann doppelt und dreifach k. o.!).
Bis hierhin geschafft? Gut! Dann verteilen wir nun noch Bonuspunkte:
- Wenn die Agentur die eigenen Arbeiten oder Kommentare zu aktuellen Entwicklungen von WordPress in einem Blog beschreibt; wenn sogar hilfreiche Tipps und Tricks für Entwicklung und Design gegeben werden, dann vergebe Bonuspunkte.
- Wenn Entwickler oder Designer der Agentur Vorträge auf Webkonferenzen halten, gebe Bonuspunkte.
- Wenn die an einem Projekt beteiligten Leute der Agentur zustimmen, für einen schnellen Austausch und für Rückfragen mit dem Auftraggeber via Matrix oder Slack bereit zu stehen, dann gib Bonuspunkte.
- Wenn die Agentur (und die dann beteilligten Leute) in örtlicher Nähe zum Auftraggeber leben und somit auch mal ein Vorort-Treffen möglich sind, gebe Bonuspunkte.
Reicht das?
Natürlich wird die obige Checkliste nicht alles sein. Sehr häufig entscheidet auch die „Chemie“ des Miteinanders, ob die jeweilige Agentur der richtige Partner ist. Auftraggeber und Agentur müssen sich verstehen. Sie müssen auf Augenhöhe miteinander kommunizeren können. Das bedeutet, dass beide Partner Pflichten und Aufgaben haben – nicht nur die Agentur, sondern auch der Auftraggeber. Der Auftraggeber muss in der Lage und willig sein, der Agentur verlässlich und genau zu erläutern, welche Aufgabe die Agentur hat. Der Auftraggeber muss auch für die Agentur erreichbar sein und sich Rückfragen stellen können – auch unbequemen, die seine oder ihre Wünsche hinterfragen. Die Agentur muss auch die Ziele und deren Hintergründe verstehen und diese hinterfragen können. Ganz unabhängig von dem zu erstellenden Werk muss also die Kommunikation und das gegenseitige Verstehen funktionieren. Dies sind aber individuelle Faktoren, die von den beteiligten Personen abhängig sind. Das kann man nicht über eine Checkliste abfragen.
Meine Empfehlung ist daher, dass man bei einer Auftragsvergabe an eine neue Agentur nicht gleich „all in“ geht. Sondern im Sinne einer „Markterkundung“ der Agentur, die in Frage kommt, zuächst eine kleinere Aufgabe anvertraut. Diese Aufgabe muss dabei nicht wirklich wichtig sein. Es sollte auch nicht weh tun, wenn die Aufgabe nicht erfüllt wird. Es geht hier primär darum, dass man mit einem kleinen, aber dafür gut definierbaren Projekt schauen kann, ob man miteinander harmoniert. Ist dies der Fall und alles läuft gut, dann hat man eine Einschätzung darüber, ob und für welche größeren Projekte die Agentur der richtige Match ist.
Text: Wolfgang Wiese